Dem längeren gemeinsamen Lernen gehört die Zukunft –
mit dieser Botschaft traf Sigrid Beer auf große Zustimmung in der
vollbesetzten Stadtbücherei Lemgo. Die Grüne Fraktion hatte die
Bildungsexpertin der Landtagsfraktion eingeladen, um über das kommende
Schulgesetz und die Schulpolitik von Rot-Grün zu diskutieren. Nach 1,5
intensiven Stunden war klar: Ob Ganztagsschule, Inklusion oder neue
Klassenmodelle – es geht nur mit Eltern und Schulen gemeinsam.
Zu Beginn hatte die Geschäftsbereichsleiterin
Kultur, Annette Paschke-Lehmann, im Namen der Stadt Lemgo die Anwesenden
begrüßt und auf die Bedeutung der Kultur als Teil der Bildung
hingewiesen. Die Stadtbücherei ist mit 200.000 Ausleihen pro Jahr aus
dem Lemgoer Leben nicht wegzudenken.
Dies unterstrich auch Sigrid Beer, die die
kulturelle Bildung als wesentlichen Baustein der neuen Ganztagsschule
darstellte. „Die Ganztagsschule ist das Zeitgefäß für ein neues Lernen
und wirkliche individuelle Förderung. Jede Schule muss es neu mit
Inhalten füllen.“ Keinesfalls dürfe der Ganztag als reine Fortführung
des Vormittagsunterrichts organisiert sein. Diese Aussage traf auf
breite Zustimmung im Publikum, das dringend die Aufstockung der
Ganztagsplätze für Lemgoer SchülerInnen anmahnte.
In diesem Zusammenhang wies sie auf die ungelösten
Probleme des „Bildungs- und Teilhabepaketes“ der Bundesregierung für SGB
II-Berechtigte hin. Das Geld müsse an den Schulen ankommen und nicht in
private Nachhilfeinstitute fließen. Die Umsetzung sei aber nicht
geregelt.
Für die Bundesebene bewertete MdB Ute Koczy die
schwarz-rote Entscheidung, dass der Bund sich nicht mehr an
Bildungsinvestitionen in den Ländern, z. B. beim Ganztagsausbau
beteiligen darf, als einen „Fehler, der uns um Jahre zurückwirft“. Die
Aufhebung dieses Kooperationsverbotes hat sich die NRW-Schulministerin
Sylvia Löhrmann zur Aufgabe gemacht.
Als weiteren Baustein des Schulgesetzes nannte Beer
das Recht auf Inklusion. Keine Schulform dürfe hier außen vor bleiben,
doch bedeute Inklusion selbstverständlich einen speziellen Mitteleinsatz
für die Schulen.
Gerade auch die Gemeinschaftsschulen könnten
Standorte für Inklusion sein – so wie es bereits an zahlreichen der
neuen Gemeinschaftsschulen geschehe. Diese seien eine Erfolgsformel –
das Land habe bereits Kenntnis von über 100 Schulen im Aufbruch zur
Gemeinschaftsschule.
In der lebhaften Diskussion forderten mehrere
ZuhörerInnen einen mutigeren Schritt hin zur Gesamtschule als
Überwindung der Schülerselektion. Die Überlegung, ob eine Gesamtschule
oder Gemeinschaftsschule gegründet wird, müsse vor Ort entschieden
werden, so Beer. Schülerzahlen und vorhandene Schullandschaft spielen
dabei eine Rolle. Erfreut zeigte sich Beer über die Entwicklung bei
Gymnasien: Gerade in der Fläche zeigten sie sich zunehmend flexibel bei
der Öffnung für neue Strukturen, und mit dem demografischen Wandel werde
die alte Aufteilung der Schülerschaft fallen.
Für die Grundschulen betonte die Bildungsexpertin,
dass über Verbundkonzepte mit mehreren Teilstandorten nachgedacht wird,
um auch kleinere Standorte möglich zu machen. Altersgemischtes Lernen
als pädagogisches Konzept rückt dabei in den Fokus. Künftige
„Bildungshäuser“ wiederum sollten KiTa und Schule direkt verknüpfen.
Die vielleicht wichtigste Botschaft überbrachte Sigrid Beer mit Hilfe eines Videos des Tanzpädagogen Royston Maldoom (Rhythm is it). Dessen Credo laute: Kinder wachsen dann über sich hinaus wachsen, wenn ihre LehrerInnen an ihre Potentiale glauben.
Was bleibt für Lemgo? Dem Moderator,
Fraktionsvorsitzender Dr. Burkhard Pohl, gab das Publikum einige Wünsche
mit auf den Weg: den überfälligen Ausbau der Plätze im Offenen Ganztag
entsprechend der hohen Nachfrage in Lemgo, Initiativen zu längerem
gemeinsamen Lernen, zügiges Umsetzen der Inklusion in Lemgo. Die grüne
Bildungs-AG wird sich am Donnerstag, 12. Mai, ab 19 Uhr mit den
Ergebnissen dieses Abends befassen.