Ab August 2011 gilt in Lemgo eine lineare
Beitragstabelle. Allerdings ist die vom Rat beschlossene Lösung die
schlechtere Variante – die Verwaltung hatte im ersten Entwurf die
Höchstverdienenden stärker belastet. Die Veränderungen gehen zu Lasten
der geringen Einkommen im U 3-Bereich; dort, wo der Besuch am Nötigsten
ist. Die grüne Fraktion hat daher mit Nein gestimmt.
Redebeitrag vom Fraktionsvorsitzenden Burkhard Pohl (6.6.2011):
Meine Damen und Herren,
die heute vorgelegte „Satzung für die
Kindergartenbeiträge“ hatte eine ganz eigene Karriere. Ziel war es, die
Elternbeiträge nicht mehr in Stufen, sondern linear zu berechnen. Doch
vor uns liegt heute nur der 2. Versuch. Der erste, bessere Vorschlag
wurde abgesetzt.
Blicken wir zurück: Im Sommer 2010 wurde vom
Jugendamt die erste Fassung für eine lineare Gebührentabelle erarbeitet.
Kleinschrittig, detailliert, fachlich fundiert. Dieser Vorschlag wurde
im Jugendhilfe- und Hauptaussschuss diskutiert und beschlossen,
einstimmig mit Ausnahme der FDP, die plötzlich von Linearität nichts
mehr wissen wollte. Wir Grüne stimmten zu, weil uns die gefundene Lösung
der Fachleute in der Verwaltung überzeugte – bei Beibehaltung der
Grundpfeiler der Stufentabelle wurden weitere soziale Verbesserungen
erreicht.
Dann geschah etwas Bemerkenswertes – der Bürgermeister nahm kurzfristig diesen
1. Entwurf von der Tagesordnung des Rates. Wenig
später traten SPD und CDU vor die Presse und präsentierten einen neuen
zweiten Entwurf.
Diese wurde dann im zuständigen Fachausschuss eingebracht und mit 9:5 beschlossen. Nach harter, kontroverser Debatte.
Halten wir also fest: Wir reden heute über einen
zweiten, umstrittenen Entwurf. Er stammt nicht von den fachlich
Verantwortlichen in Jugend und Schule, sondern ist ein
Änderungsvorschlag von CDU und SPD.
Soweit zum Verfahren. Was ist aber das politische Ziel dieser zweiten Kita-Tabelle?
Ganz einfach: Wir wollen den Best- und Höchstverdienenden entgegenkommen. Wenige Eltern sollen entlastet werden.
Das einheitlich lineare Prinzip gilt nur noch bis
75.000 EUR Jahreseinkommen. Dann knickt die Tabelle ab, steigt nur noch
leicht an. Es gilt das Prinzip „wer mehr hat, wird verschont“.
Wie kommt man aber am Ende auf die gleiche
Gesamtsumme? Die Zeche zahlen die Kinder und Eltern für die
U3-Betreuung. Bei den U3-Beiträgen gibt es jetzt eine Kopfpauschale,
einen Sockel. Diesen Sockel müssen ALLE Einkommen gleich entrichten – 20
bzw. 30 Euro für die Krankenschwester wie die Chefärztin.
Zum Vergleich der erste Entwurf des Jugendamtes.
Hier wird eines deutlich: Niedrige Einkommen müssen jetzt viel mehr bezahlen.
Beispiel 20.000€: Hier verdreifacht sich der Beitrag von 13,58€ auf 42€ (35 Std.) und von 22€ auf 59€ (45 Stunden).
Bei 24.500€ Einkommen lauten die Vergleichswerte 38€ zu 61€ (35 Std.) und 62€ zu 94€.
Erst ab ca. 60.000€ Jahreseinkommen wird die neue
Tabelle bei U 3 günstiger. Das war politisch gewollt. Obwohl wir doch
gerade bei den unteren Einkommen dringenden Bedarf für einen frühen
Kita-Besuch haben.
Ja, es geht hier um Gerechtigkeit, aber um welche?
Um es klar zu sagen: Es geht hier um Einzelfallgerechtigkeit statt um
Gruppengerechtigkeit. Einige werden bevorzugt, viele benachteiligt.
Meine Damen und Herren,
wir stehen zur linearen Tabelle. Aber das kann man verschieden umsetzen.
Wir hätten uns auf eine Absenkung ab etwa
100-120.000€ verständigen können. Einen solchen Vorschlag haben wir im
Jugendhilfeausschuss eingebracht.
Aber schon bei 75.000€ Jahreseinkommen einen Schnitt
zu machen halten wir für unsozial. Und den Kita-Besuch für U 3 zu
belasten, halten wir für das falsche Signal. Die Umverteilung von oben
nach unten tragen wir nicht mit.
Deshalb können wir der vorgelegten Satzung keinesfalls zustimmen.
Blicken wir voraus: Das Land NRW hat ab August das
letzte Beitragsjahr für alle Einkommen, unterschiedslos freigestellt.
Und das KiBiz wird weiter überarbeitet. Dies gibt genug Anlass für eine
mögliche Neubearbeitung der Lemgoer Tabelle.
Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen wird sich daher in den Haushaltsberatungen für eine Überarbeitung der hier vorliegenden Satzung einsetzen.