Willy Langenberg zum 100. Geburtstag – Veranstaltungsreihe gedachte des Lemgoer Widerstandskämpfers gegen den Nationalsozialismus

„Das Umfeld Langenbergs gehört erforscht“ – Podiumsdiskussion zum Umgang mit dem Nationalsozialismus in Lemgo stellt Fragen an die Zukunft

„Gelebte Geschichte – was heißt das für Lemgo?“ – unter diesem Titel hatte der Arbeitskreis Geschichte für Morgen zu einer Podiumsdiskussion ins Lemgoer Rathaus geladen. Vier Teilnehmer sprachen unter Moderation von Dr. Hans Wupper vom Landesinstitut für politische Bildung über die Bedeutung Willy Langenbergs für die Erinnerungspolitik heute. Dabei stand weniger die Auseinandersetzung mit den Vorgängen der 40er Jahre im Vordergrund als die Frage, wie Bildung und Öffentlichkeit sich des Themas Widerstand und Lemgoer Alltag im Nationalsozialismus heute annehmen sollten.

Zu Beginn stand das Selbstzeugnis von Helmut Heinze, eines Zeitzeugen, der sich schon früh auf Recherche nach den Umständen von Langenbergs Handeln und Umfeld begeben hat. Heinze wies darauf hin, dass sich nach Ablauf der Sperrfristen die Aktenlage wesentlich verbessert habe und dass seit der Monografie von Eike Stiller über Willy Langenberg ein Meilenstein gesetzt sei. Es stimme ihn froh, dass nun endlich mit einer ganzen Veranstaltungsreihe in Lemgo seines Widerstandskämpfers gedacht werde.

Dem ehemaligen Abiturienten Simon Kuhlmann blieb es vorbehalten, aus Sicht eines Zwanzigjährigen den Blick zurück nach vorn zu richten: Er sei erstaunt gewesen, wie wenig in der Schule über die lokale Lemgoer Geschichte bekannt würde. Dabei sei es für Jugendliche höchst interessant, sich mit der örtlichen Zeitgeschichte zu beschäftigen.

Dafür bedürfe es aber immer einer Aktualisierung, ergänzte Schulleiter Dr. Friedrich Bratvogel vom EKG. Schüler müssten Fragen stellen können, sie bräuchten Orte der Erinnerung und Gelegenheiten zur Begegnung. Dafür müssten sich Schulen aber auch selbst öffnen und bestehende Angebote annehmen.

Das Plädoyer für Brückenschläge zwischen Bildungseinrichtungen und Museen bzw. Archiven griff Jürgen Scheffler, Leiter des Museums Hexenbürgermeisterhaus, gern auf. Für ihn zeige der Fall Langenberg vor allem den großen Forschungsbedarf: Wie sei es möglich gewesen, so Scheffler, dass sich ein Verfolgter des Nazi-Regimes drei Jahre lang in einem kleinen lokalen Umfeld habe verstecken können? Allein 27 Unterstützer Langenbergs seien nach dessen Tod ermittelt und z.T. angeklagt worden – dies sei ein faszinierender Befund, der aufgearbeitet gehöre. Auf der anderen Seite stehe die Denunziation als Alltagspraxis.

Die angeregte Diskussion mit dem Publikum erweiterte schnell den Blick auf eine andere schillernde Persönlichkeit aus Nazitagen, Bürgermeister Gräfer. Die Frage der persönlichen Handlungsspielräume im Alltag des Nationalsozialismus sei es denn auch, die sich an den Einzelschicksalen wie Langenberg oder Gräfer immer neu stelle, so Moderator Dr. Wupper. Die Ambivalenz sei vielen Biografien im Totalitarismus eingeschrieben.

Ein gemeinsames schulisches Ausstellungsprojekt soll im Jahr 2011 die Personen Gräfer und Langenberg dokumentieren. Darauf wies abschließend Detlef Höltke für den veranstaltenden Arbeitskreis hin.

Die Diskussion war die zweite Veranstaltung der Reihe zum 100. Geburtstag von Willy Langenberg. Zum Auftakt hatte der Detmolder Schauspieler Joachim Ruczinsky aus der Langenberg-Biografie Eike Stillers gelesen. Dem Vortragenden gelang es, die Lebensgeschichte Langenbergs und seine Flucht zu einer mitreißenden Erzählung aufblühen zu lassen. Hier zeigte sich, welches Potenzial die erzählte Lokalgeschichte entfaltet – selbst wenn sie als seriöse wissenschaftliche Studie verfasst worden ist.

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