Rede zum Haushaltsentwurf 2022

Rede zum Haushalt 2022

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren,

vor uns liegt der erste Haushalt der neuen Verwaltung.
Ich habe meine Rede von 2019 gewälzt und gemerkt – so viel hat sich nicht verändert. Doch dazu später.
Zunächst die Neuerungen: Personell hat sich sehr viel getan.

Nicht nur der Bürgermeister ist neu gewählt. Wir erleben einen großen personellen Umbruch in der Verwaltung und im Rat. Fast alle Geschäftsbereichsleitungen wurden neu besetzt, der Beigeordnete, die Leitungen der Eigenbetriebe. Auch der Stabschef des Bürgermeisters hat gewechselt, weiteres Personal in den Bereichen Ehrenamt, Stadtplanung etc. ist hinzugekommen. Sie haben sich in ausgeschriebenen, intensiven Bewerbungsverfahren durchgesetzt, so wie es sein sollte. Noch unter Pandemiebedingungen lernen wir uns neu kennen. Ich freue mich und danke für die kompetente und aufgeschlossene Gesprächsbereitschaft.
Ich danke an dieser Stelle auch allen Ehemaligen für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und gute Atmosphäre, selbst in den wenigen Augenblicken, in denen wir mal nicht einer Meinung waren. Vielen Dank!

Auch in der Politik hat sich viel verändert, nicht nur in der Grünen Fraktion. Viele neue Gesichter prägen den Rat und die Ausschüsse. Die neue Energie äußert sich in vielen Anträgen und Anfragen und intensiven Diskussionen. Ich finde es gut, dass sich so viele Menschen weiter einbringen wollen in die Politik für Lemgo. Es gab neue politische Querverbindungen und ja, es gibt neue Mehrheitsverhältnisse. Viele Jahre hatte der Bürgermeister eine Mehrheit zum Durchregieren. Das hat sich verändert, und das schafft die Chance zum Dialog.

Aus grüner Sicht war das Jahr 2021 erfolgreich.

Wir Grünen haben von den Lemgoer:innen mit fast 19 % mehr Verantwortung erhalten und haben davon einiges erfüllt, und wollen vieles davon umsetzen.
Ein Kernbereich ist das Feld Klima, Umwelt und Mobilität: Da haben die Fachausschüsse und der Rat einige gute Projekte beschlossen. Ich danke den anderen Fraktionen für die Momente ressentimentfreien Abstimmens:

  • Lemgo ist Stadt der Biologischen Vielfalt
  • Städtische Pachtflächen werden auf ökologische Entwicklung geprüft
  • Ein konkretes Projekt sind Baumpatenschaften
  • 2022 erhält Lemgo eine neue Klimaschutzstelle.

Ich danke an dieser Stelle auch dem Team Klimaschutz für das Update der Klimaschutz-Website. Dies hatten wir 2019 noch als Baustelle bemängelt – nun haben wir eine informative und attraktive Darstellung.

Es gab heftige Diskussionen zum Grünzug an der Tonkuhle und zum Durchschneiden eines Biotopes. Abgesehen von der Sachfrage zeigen diese Diskussionen ein neues Bewusstsein in der Bevölkerung, aber auch in der Politik.

Ein Höhepunkt war der Beschluss des 1,5-Grad-Ziels für Lemgo auf Antrag der Fridays for Future. Das war ein großartiger Moment von Bürgerbeteiligung und Offenheit bei Politik und Verwaltung.
Nun heißt es aber: Handeln! 2022 stehen die Beschlüsse zur Umsetzung von 1,5 Grad an. Da müssen wir konsequent bleiben, und auch Verwaltung und Stadtwerke müssen entschlossen bleiben. Dies ist der Lackmustest für die Lemgoer Zukunftsfähigkeit.

Und an ein wichtiges Datum in unserer Umgebung möchte ich schon jetzt erinnern: Vergessen wir nicht den Atomkraft-Ausstieg in Grohnde zum Jahreswechsel. Wir wissen: Atomkraft ist nicht beherrschbar und ist nicht klimaneutral – ein Riesenerfolg, dass dieses Kapitel endet.

Wir haben in den Bereichen Bildung, Soziales und Gleichstellung wichtige neue Impulse gesetzt, auch dank der Haushaltsbeschlüsse:

Vor diesem Hintergrund haben wir mutig entschieden. – Übrigens: Ich freue mich sehr, dass die Jugend nun zumindest im Schulausschuss einen Sitz erhalten wird. –

Gestatten Sie mir auch ein Wort zum Sport.
Glückwunsch an Alexander Wegner für den guten Start als Vorsitzender des Stadtsportverbandes. Deine ehrenamtliche Lobbyarbeit für Sportprojekte ist aller Ehren wert. Gerade in der Pandemie lernen wir wieder, wie wichtig Prävention und Gemeinschaftsgefühl sind. Beides bietet der Sport zur Genüge. Wir Grünen wollen schauen, wie wir Sport und Bewegung für viele Menschen in unserer Stadt ermöglichen wollen – egal, ob im Verein oder ohne, ob Vereine eigene oder städtische Anlagen nutzen, und egal, welches Sportgerät genutzt wird. Eins ist wichtig: Geben wir dem Sport viel Raum!

Schauen wir auf den Haushalt und die Anträge, so sehe ich Kontinuität, aber auch neue Impulse. Alles in allem sehe ich das Bemühen um Solidität und Solidarität in weiten Teilen des Rates.

Wir Grünen freuen uns über eine hohe Zustimmungsrate zu unseren Anträgen. Auch dank der Kooperation anderer Fraktionen haben sämtliche Vorschläge eine Mehrheit gefunden: Budgets für Arten- und Klimaschutz, Lösungen für Ladesäulen und mehr Schulsozialarbeit, transparente Haushaltsdarstellung, usw.

Wo steht die CDU beim Klimaschutz?

Der CDU aber sage ich: Wo stehen Sie beim Klimaschutz? Sie haben 8 von 10 Grünen Anträgen die Zustimmung verweigert, teilweise als einzige Fraktion und gegen den Bürgermeister. Sie haben sämtliche Anträge zu den Themen Umwelt und Klima abgelehnt – sogar gegen die Verwaltung!

Sie haben sogar abgelehnt, ein Klima-Controlling, und eine CO2-Auszeichnung einzurichten, also konkrete Maßnahmen des Klimaschutzkonzeptes umzusetzen, das sie selbst beschlossen haben. Sie wollen auch kein Geld dafür bereitstellen, das Klimaschutzkonzept tatsächlich auf den Weg zu bringen. Werte Kolleg:innen von der CDU, so wird es nicht funktionieren: A sagen, aber B ablehnen. Wenn wir demnächst die Ergebnisse für das 1,5-Grad-Ziel beschließen, dann hoffe ich auf mehr konstruktive Arbeit von Ihrer Seite.

Dies bringt mich zum Ausblick auf 2022.

2022 erneuern Stadt und Politik ihre strategischen Ziele im Zeichen der Nachhaltigkeit. Auch Klima- und Artenschutz müssen nun feste Säulen dieser Strategie werden. Dazu braucht es klare Messgrößen. Und dann werden wir beschließen, das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten.

2019 habe ich gesagt: „Das Wichtigste steht uns bevor: Die Klimaschutz-Pläne müssen Realität werden.“ Und diesen Satz kann ich genauso wiederholen. Dafür müssen wir bereit sein. Meine Damen und Herren, mir ist da noch zuviel „Weiter so“: Im Baugebiet Pöstenweg wird grüne Natur ersatzlos zugebaut. An der Hengstheide wird das Habitat der Feldlerche verbaut. Die kann nicht einfach umziehen. Und wir leisten uns den Luxus, dass auf sechs Windkraftflächen in Lemgo in sieben Jahren nicht ein Rad entstanden ist. Zur Not hilft dann die Bundeswehr, wenn es sonst keine Mittel zur Verhinderung mehr gibt.

Um einen populären Neologismus zu gebrauchen: Wir brauchen einen Umwelt-Klima-Booster! Ob beim Wohnungsbau, bei Verkehrsplanungen, bei Gewerbeansiedlungen: Wir müssen die Ökologie als relevanten Faktor mitdenken und proaktiv einplanen. Für eine lebenswerte Stadt braucht es Stadtgrün und frische Luft.

Wenn wir bauen wollen, dann geht das nur ökologisch und klimabewusst. Wenn wir die Mobilität entwickeln wollen, dann mit klarem Blick für alle Fortbewegungsmittel. Ein Innovation Campus braucht auch ein innovatives Verkehrskonzept. Der Radweg an der B 238 von Luhe ins Kalletal muss jetzt kommen, endlich ist die Chance da!

Und wenn die heimischen Vogelarten bedroht sind, dann kann das nur heißen, dass wir Artenschutz ernst nehmen müssen. Lemgo hat Ja gesagt und sich dem Bündnis biologische Vielfalt angeschlossen. Jetzt muss Lemgo auch liefern. Deshalb wollen wir auf städtischen Pachtflächen mehr Vielfalt und Artenschutz wagen.
Und deshalb fordern wir eine Biodiversitätsstrategie; und zwar während der laufenden Wahlperiode und nicht erst 2025, wenn die Ausgleichsflächenplanung fertig sein soll.

Für diesen Umwelt-Klima-Booster kann Lemgo seine neuen digitalen Instrumente nutzen. Smart denken und handeln gilt nicht nur Kundenlenkung und Parkplatzsuche, sondern auch für die Sicherung der Lebensgrundlagen. Ein feines unbürokratisches Beispiel ist der QR-Pfad im Stadtwald.

Die Flut-Katastrophe von Ahrweiler ist ein letzter Weckruf. Zum Glück haben Politik und Verwaltung in Lemgo schon 2007 vorgebaut beim Hochwasserschutz. Und auch jetzt wollen wir eine Starkregenkonzept erstellen (mit der CDU).

Nun laufen die AGs zum 1,5-Grad-Ziel – aber auch hier gilt: Aus dem Bekenntnis müssen Konsequenzen folgen. Stellen, Fördermittel.
Die Konzepte, die Strategien liegen vor – jetzt heißt es erfüllen, umsetzen, machen! Prioritäten neu definieren. Und ggf. auch Personal dafür einstellen. Umwelt und Klima brauchen einen Platz in der Verwaltung – auch und obwohl wir aktuell kein eigenes Umweltamt haben.

Ich erlebe dennoch bei allen Fraktionen des Rates einen neuen Sound. Das tut gut – seien wir aber noch klarer, entschlossener und, ja, parteilicher für Klima, Arten und Umwelt.

Zum neuen Sound, zum neuen Umgang miteinander gehört aber auch die Bürgerbeteiligung. Wir alle spüren die Unruhe, das hohe Erregungspotenzial nicht erst seit Corona, dadurch aber beschleunigt. Bürger einzubinden ist nicht einfach, aber unumgänglich. Sie braucht aber auch Bürger:innen, die sich in die Pflicht nehmen lassen wollen. Gut ist die Aufstockung des Ehrenamt-Bereiches, gut sind die Klimaworkshops, gut sind die digitalen Formate.

Zum Schluss: 2021 war das Jahr des Stühlerückens und der Findung in Rat und Verwaltung. Vergessen wir nach der Findungsphase das Gemeinsame nicht.
2022 stehen wir vor der Aufgabe, Lemgo für das neue Jahrzehnt der 20er Jahre strategisch auszurichten. Das ist eine hohe Verantwortung.
Die 2010er Jahre waren in puncto Klima- und Artenschutz oft verlorene Jahre. Lassen Sie die 2020er Jahre zur Zeit des Aufbruchs werden. Es ist höchste Zeit.

Gerade im zweiten Corona-Winter wissen wir um unsere Verantwortung. In der Gesellschaft ist auch in Lippe einiges verrutscht. Dazu tragen nicht nur völkische und offen rechtsextreme Gruppierungen bei.

Erkenntnisse der Wissenschaft werden nicht mehr akzeptiert, Sachinformation wird abhängig von persönlichem Gefühl bewertet, Freundschaften zerbrechen an der Frage der Impfung. Ich stehe zu der schwierigen Entscheidung, erneut Kläschen abzusagen – die explodierenden Positivbefunde und weiter niedrigen Impfzahlen ließen keinen anderen Hinweis.

In der Abwägung der Politik muss für mich die Prävention im Vordergrund stehen – so wie auch bei der Klimaschutzpolitik. Ich möchte an dieser Stelle dem Kreis und der Stadtverwaltung herzlich für die professionelle und pragmatische Einrichtung des Impfzentrums danken. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass dies besser lief als im benachbarten Niedersachsen.

Seien wir uns also unserer politischen und bürgerlichen Verantwortung bewusst. Bleiben wir offen und fair miteinander. Ein Anfang könnte dazu der Beschluss zum heutigen Haushalt sein. Die Grüne Fraktion dankt Kämmerer und Verwaltung für die offenen Gespräche im Vorfeld. Dem Haushalt 2022 stimmen wir zu.
Danke, und bleiben Sie, bleibt gesund. Eine gute Weihnachtszeit!

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Ein Kommentar

  1. In der Rede vermisse ich konkrete Forderungen zum Thema Verkehrswende mit Akzentuierung des Umweltverbundes (Fuß/Rad/ÖPNV). Lediglich ein innovatives Verkehrskonzept wird erwähnt. Ich hoffe, diese Themen werden stärker in der politischen Arbeit deutlich.