Nachdem die Mehrheit der Lemgoer Politik beschlossen hat, die Vorfahrtregelung für Fußgänger und Radfahrer an den Wallquerungen zurück zu bauen, bleibt festzustellen, dass dort wo Straßen sind, Autofahrer Vorfahrt behalten sollen und für innovative Projekte (noch) nicht die Zeit ist.
Viele Menschen in den Städten beklagen Lärm und Verschmutzung durch Kraftfahrzeuge – und fordern zurecht ein Umdenken in der Verkehrspolitik und -planung.
So stellt auch der VCD fest:
Nach der letzten bundesweiten Untersuchung des Mobilitätsverhaltens in Deutschland ist immerhin die Hälfte aller Autofahrten kürzer als sechs Kilometer, fünf Prozent enden sogar schon nach einem Kilometer. In diesem Nahbereich können Fuß- und Radverkehr einen erheblichen Teil der täglichen Wege bestreiten und so umweltbelastenden Autoverkehr ersetzen. Um diese wünschenswerte Entwicklung zu fördern, bedarf es guter Bedingungen für Fußgänger und Radfahrerinnen. Und weiter: Für den Fußverkehr sind beispielsweise zusammenhängende Wegenetze, ausreichend lange Grünphasen an Fußgängerampeln und sichere Überquerungsmöglichkeiten von Straßen ausschlaggebend. Hier müssen vor allem lokal und regional agierende Politikerinnen und Planer die richtigen Bedingungen schaffen.
Das Fahrrad hat in Deutschland noch großes Potenzial. Derzeit wird es für neun Prozent aller Wege genutzt. Das Fahrrad ist gerade in Städten und dicht besiedelten Gegenden das optimale Verkehrsmittel. Trotzdem gibt es bisher in Deutschland kaum eine koordinierte Fahrradförderung. Ein gutes Radverkehrsnetz ist wichtig. Aber ohne imagefördernde Öffentlichkeitsarbeit, ohne Serviceangebote und ohne eine technisch hochwertige Ausrüstung, die dem Radler das Leben vereinfacht, ist es schwierig, das Verkehrsverhalten der Menschen zu verändern. Wer möchte, dass mehr Menschen im Alltag aufs Rad setzen, muss den Radverkehr als Gesamtsystem begreifen und fördern.
Hier gilt es anzusetzen und die entsprechenden Weichen zu stellen. Gerade eine Stadt, die mit dem Titel „Fahrradfreundliche Stadt“ ausgezeichnet ist, darf sich innovativen Projekten nicht verschließen und muss auch ungewöhnliche Wege gehen. Diesmal haben parteipolitische Erwägungen kurzsichtigen Entscheidungen den Weg gebahnt. Obwohl viele Lemgoerinnen und Lemgoer mit ihren Unterschriften gezeigt haben, dass sie den Wert der Vorfahrtsregelung erkannt haben, zeigt die Mehrheit der politisch Agierenden gegenwärtig kein Gespür für zukunftsweisende Verkehrsplanung.
Detlef Höltke