Haushaltsrede von Dr. Burkhard Pohl
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
meine Damen und Herren,
Wir hatten dieses Jahr ein Novum: Lemgos ersten Bürgerentscheid.
Kompliment an die Bürgerinitiative, die ihn ermöglicht hat.
Bedauerlich, dass CDU, SPD und der Bürgermeister dabei für unfaire
Bedingungen gesorgt haben. Sie haben mit Ihrer Termintrickserei die
Wahlbeteiligung absichtlich niedrig gehalten. Bürgerfreundlichkeit sieht
anders aus. Das war und bleibt schlechter demokratischer Stil.
Aber: Das Thema Ostschule ist jetzt erstmal entschieden.
Wir haben bald eine große Grundschule in Brake. Das
ist schön, und wir wünschen allen Beteiligten viel Erfolg beim
Zusammenwachsen. Ob es auch wirtschaftlich ein Erfolg wird, wie die
Verwaltung behauptet? Für den Steuerzahler sicherlich nicht. Doch wir
wollen Bildung auch nicht einfach in Euros messen.
Wir hoffen, dass auch das Modell der inklusiven
Schule an der ehemaligen Ostschule aufgeht. Die bisherigen Informationen
sind noch spärlich. Wir dürfen gespannt sein.
Denn auch die Befürchtungen sind eingetreten: Die
Kampschule platzt aus allen Nähten, die Südschule sowieso, doch an
zusätzliche Klassen ist aufgrund der begrenzten räumlichen Situation
nicht zu denken – obwohl dieses Jahr rechtlich eine Klasse mehr möglich
wäre.
Hier wünschen wir uns mehr Phantasie und mehr
Unterstützung für die Grundschulen – und eine rechtzeitige Beteiligung
der Eltern. Schließlich hat der Verkauf der Ostschule viele Eltern zur
Kampschule getrieben.
Wir spüren anderswo den Druck auf die Anmeldezahlen
– nur knapp noch reichte es in Lieme für zwei, in Brake für drei
Klassen. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.
Da ist es ein fatales Signal, dass Sie die Fortführung der Sozialarbeit an den Grundschulen ablehnen. Dazu gleich mehr.
Aber ich blicke nach vorn:
Inklusion ist ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag.
Wir Grünen hoffen, dass die Stadt sich jetzt endlich
der Inklusion in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich annimmt. Die
nötigen Gesetze liegen auf dem Tisch.
Deshalb haben wir Grünen einen Runden Tisch
Inklusion beantragt. Das hat der Rat beschlossen, jetzt geht es an die
Umsetzung. Dem Beschluss zum Runden Tisch Inklusion müssen jetzt auch
Taten folgen.
Zum Beispiel braucht es einen Inklusionsplan. Es ist
unverständlich, dass der Bürgermeister sich so dagegen sperrt, wo genau
das Ihnen doch alle Experten ins Stammbuch schreiben.
Und eines geht nicht: Immer nur auf Land und Bund
zeigen und mehr Geld fordern. Inklusion geht alle an, sie ist unserer
Stadt Lemgo selbst ein Anliegen. Hier sollten wir deshalb unsere eigenen
Hausaufgaben erledigen.
Und wir haben 2014 wichtige Projekte in Lemgo zu bewältigen:
Erstes Beispiel: Mehr Windkraft.
Lemgo ist auf dem Weg zu mehr Erneuerbaren Energien
aus Windkraft. Der Weg wird kein leichter sein, aber er ist richtig.
Weil wir eben nicht wollen, dass sich die Erde weiter aufheizt. Und ja –
selbstverständlich wählen wir diejenigen Standorte aus, die für
Anwohner und Umwelt am verträglichsten sind. Das ist doch klar.
Wir freuen uns, dass Lemgo auf diesem Wege weiter
seine Klimaschutzziele verfolgt. Und, meine Damen und Herren, damit
stärken wir die Stadtwerke, es gibt Investitionen und Einnahmen in der
Region, und eine Bürgerbeteiligung an den Anlagen.
Das ist Mittelstandsförderung, das ist kommunale Wirtschaftsförderung.
Die BfL und CDU haben jetzt plötzlich kalte Füße
und suchen überall nach dem Bürgerwillen – als ob es einen einzigen
Willen gäbe. Obwohl Sie selbst den Ausbau mit auf den Weg gebracht
haben! Bei Ihnen weiß die Halbrechte nicht, was die Rechte will.
Wir erinnern uns auch an die vielen Menschen, die
vor 2 Jahren auf dem Lemgoer Marktplatz gegen Atomkraft und für
Erneuerbare Energie demonstriert haben. Auch das ist ein breiter
„Bürgerwille“!
Leider wollen Bundes-SPD und -CDU von Berlin aus
die Energiewende kippen und mit den Großkonzernen die Kohle- und
Atomkraft wiederbeleben. Subventionen für Großbetriebe stehen nicht in
Frage. Diese Pläne aus Berlin sind Gift für die dezentrale
Energieversorgung und den Mittelstand in unserer Region. Halten wir vor
Ort dagegen!
Zweites Beispiel: Nachhaltige Flächenplanung.
Alle kennen das Problem: NRW ist das Land mit dem
höchsten Flächenverbrauch im Bund. Nun begrenzt die Regierung mit dem
Landesentwicklungsplan den Flächenfraß – endlich! Dabei geht es um einen
allmählichen Prozess, kein Hauruckverfahren.
Wir stehen hier vor der Frage: Was ist uns die Natur
wert? Was ist uns landwirtschaftliche und grüne Fläche wert? Ein
Beispiel ist der Parkplatz Bleiche: Wir alle wissen, dass er überflüssig
ist. Geben wir ihn der Natur und der Stadtgeschichte zurück!
Bereits heute ist Lemgo gut auf Nachhaltigkeit
ausgerichtet. Unsere Stadt hat ein Klimaschutzkonzept und eine
verantwortliche Stadtplanung. Deshalb haben wir nichts vom
Landesentwicklungsplan zu befürchten.
CDU, BfL und FDP aber passt die ganze Richtung
nicht. Sie sind aus Parteiräson gegen den Landesentwicklungsplan. Sie
setzen vermeintlichen Profit gegen Boden- und Umweltschutz – anstatt
beides zu versöhnen. Und Sie denken nur bis zur Stadtgrenze, statt an
das Ganze.
Dabei wissen wir alle, dass es in Lemgo genug
Gewerbeflächen gibt. Die Industrieflächen sind schon nach heutiger
Rechtslage nicht verfügbar – hier geht es nur interkommunal. Sie
erzeugen hier ein Schreckgespenst, machen Wahlkampfgetöse – bitte, gehen
Sie doch konstruktiv an die Planung!
Meine Damen und Herren, Sie hören es,
heute endet also die dreijährige Einigkeit im Rat.
Nach drei Jahren trauter Einigkeit wollen CDU und
SPD nun wieder getrennte Wege gehen. Zu Recht fürchtet die SPD,
unkenntlich zu werden. Was haben wir uns bei manchen Beschlüssen die
Augen gerieben, als die SPD mit CDU und FDP gemeinsam gegen den
Nationalpark gestimmt hat … Ich möchte der SPD daher Mut machen, auch
künftig klare Kante zu zeigen: für den Stadtbus, für den Nationalpark
Senne, für die Windkraft, vielleicht sogar gegen die Nordumgehung! In
solchen Schlüsselfragen hätten wir uns schon früher klare Worte
gewünscht.
Das konservative Zweckbündnis von CDU, BFL und FDP
schnürt ein eigenes Paket. Wir lesen Ihre Haushaltsbeschlüsse und
denken: Das kann ja wohl kaum Ihr Ernst sein!?
Es geht mir weniger um das, was Sie befürworten. Da gibt es ja nicht viel:
5.000 Euro für einen Tag der Sicherheit, mit dem Sie
der Polizei Konkurrenz machen; ein bisschen Panikmache gegen Windkraft,
ein Ja zu weiterem Flächenfraß,
und eine Portion Attacke auf die Volkshochschule. Am
liebsten würde die CDU sie wohl gleich ganz verscherbeln, zusammen mit
dem Weserrenaissance-Museum. Meine Kollegen von der CDU, Bildung und
Kultur sind Standortfaktoren, ohne sie geht Lemgo vor die Hunde!
Und sonst?
Sie lehnen Themen ab, die zu Lemgos Kernzielen gehören: Klimaschutz, Bildung und bürgerschaftliche Integration.
Lemgo hat ein Klimaschutzkonzept und ein
strategisches Ziel für Erneuerbare Energien, hierfür wurde extra eine
Stelle eingerichtet – jetzt stellen Sie sich gegen minimale Erhöhungen für den Klimaschutz!
Wir sind Fahrradfreundliche Stadt, wir haben ein Radwegekonzept – Sie lehnen Fahrradwege an der Achse Bismarckstraße-Bruchweg
ab! Geld gibt es mehr als genug, jetzt da die Bunsenstraße wohl nicht
mehr kommt. Hinterher beschwert sich Herr Pohlmann wieder, dass so viele
Radler den Bürgersteig benutzen. Herr Pohlmann, sagen Sie ja zu
Radstreifen, im Namen der Verkehrssicherheit!
Wir sind Stadt des Ehrenamtes, wir bauen ein neues Jugendzentrum – und Sie lehnen ein Jugendparlament
ab! Was haben Sie gegen politisches Engagement von Jugendlichen? Was
sagen Sie den interessierten Schulen, die dieses Projekt unterstützen?
Integration – Fehlanzeige. Sie wollen keinen selbstbewussten Integrationsrat und möchten weiter Beisitzer ohne Stimmrecht.
Sozialarbeit an Schulen – Fehlanzeige. Sie
wollen keine Grundschul-Sozialarbeit bezahlen – die doch alle Experten
fordern. Meine Damen und Herren, das ist eine Milchmädchenrechnung.
Sie schaffen soziale Folgekosten, die die Stadt
anderswo tragen muss. Jedes Jahr beklagt der Kämmerer die
Sozialausgaben: Ja bitte, dann machen Sie doch Prävention und übernehmen
Sie jetzt die
schulische Sozialarbeit! Das ist nachhaltiger Mitteleinsatz. Wir können
doch nicht immer nur mit dem Finger auf Bund und Land zeigen!
Nicht für Jugendliche, nicht für Migrantinnen und
Migranten, nicht für die Umwelt, nicht für sozial Schwache – für wen
sind Sie eigentlich da?
Ganz einfach: Für die Nörgel-Ecke! Sie machen Schlechte-Laune-Politik!
Sie machen eine Politik des Wegguckens und des Wegduckens.
Die reicht nur bis zum eigenen Gartenzaun.
Immerhin: BfL und FDP stimmen heute auch dem Ausbau
des Ratskellers zu, so wie vorher schon CDU und Teile von SPD und
Grünen; offenbar gibt es also hier jetzt eine Mehrheit quer durch den
Rat.
Meine Damen und Herren,
Wir Grünen spannen uns nicht vor den Wahlkampfkarren der anderen.
Wir Grünen stehen zu den gemeinsamen Sparbeschlüssen
des Rates, die wir in langen Diskussionen gefasst haben – auch wenn
diese bei der Gewerbesteuer zu zaghaft waren. Wir haben für diesen
Haushalt konstruktive Vorschläge gemacht, die zu unseren Lemgoer
strategischen Zielen passen, wir waren gesprächsbereit – doch die
Ratsmehrheit hat sie fast alle abgelehnt. Das macht uns eine Zustimmung
unmöglich.
Liebe Kollegen von der CDU, Sie reden vom Sparen:
Mit der Entscheidung über den Verkauf der Ostschule haben Sie selbst die
gemeinsamen Absprachen verlassen. Auch beim Zuschuss für Lemgo
Marketing hat der Rat das Sparkonzept aufgehoben. Und einige ihrer
diesjährigen Anträge gibt es nicht umsonst. Ebenso wenig die
Investitionen, die wir jetzt so munter tätigen.
Wir Grünen meinen: Auch in Sparzeiten muss die
Stadt an die Dinge denken, die die Gesellschaft zusammen halten, und die
unsere Zukunft sichern: Bildung, soziale Absicherung, Erhalt der
Umwelt. Wir sagen: Lemgo hat eine soziale Verantwortung. Auch für
diejenigen ohne dicke Lobby.
Wir Grünen hatten unsere Vorschläge gemacht, die allesamt finanzierbar sind. Man muss es nur wollen.
Wir möchten eine Stadt Lemgo, die sich an der Seite
der engagierten Menschen vor Ort für den gerechten Handel einsetzt,
Stichwort Fair-Trade.
Eine Stadt, die Impulse für einen Straßenverkehr ohne Erdöl setzt, Stichwort Radwege.
Sie wollen dies heute zumindest nicht. Die gutbürgerliche Mehrheit für den Haushalt steht.
Sie wollen heute eine Stadt, die sich raushält.
Eine Stadt, die Probleme wegschiebt, die sie an Dritte delegiert.
Sie scheuen mehr Verantwortung für Umwelt und Soziales.
Das machen wir Grünen nicht mit, das sehen wir anders,
und deshalb lehnen wir den Haushalt für 2014 ab.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.