Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,
ein Jahr im Zeichen vieler Festtage geht zu Ende.
Da ist natürlich unser Stadtjubiläum mit seinen vielen Feiern.
Und die Erinnerung an den Mauerfall zwischen Lemgoer Alt- und Neustadt vor 650 Jahren.
Mein Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung für die engagierte Organisation des Jubiläums.
Auch ein anderer Mauerfall jährte sich: 25 Jahre ist es her, dass die Grenzen innerhalb Deutschlands und damit zwischen Lemgo und Stendal fielen.
Schließlich der Tag der Befreiung vor 70 Jahren am 8. Mai 1945.
Wir haben ein Jahr lang würdig und nach Lemgoer Art ausgelassen gefeiert, aber auch an die dauerhafte Bedeutung des Friedens und der Verständigung erinnert. Daran denken wir in diesem Herbst 2015 umso mehr.
Schauen wir uns nun das politische Jahr an.
Der Bürgermeister ist wiedergewählt. Herr Austermann, wir Grünen hatten mit dem SPD-Stadtverband zusammen einen anderen Kandidaten unterstützt – dennoch wünsche ich Ihnen natürlich alles Gute für die kommenden fünf Jahre an der Spitze unserer Stadt. Wie bisher werden wir Grünen die Arbeit der Verwaltung konstruktiv und wenn es sein muss kritisch begleiten.
Aber heute reden wir über den Haushalt. Liebe CDU und SPD – Sie liefern da eine glatte Nullnummer ab. Sie bringen es fertig, nicht einen einzigen Antrag zum Haushalt zu stellen. Das ist mal eine Große Koalition mit Kleinem Inhalt!
Anschließend lehnen Sie in schwarz-roter Geschlossenheit alles ab, was die anderen beantragen.
Werte Kolleginnen und Kollegen von CDU und SPD – so schafft Politik sich selbst ab und macht sich überflüssig. Demokratisches Selbstbewusstsein bleibt auf der Strecke.
Welche Botschaften senden Sie mit den diesjährigen Haushaltsbeschlüssen?
Da ist erstmal das Irrlichtern beim Klimaschutz.
In Paris hat die Staatengemeinschaft am Wochenende wichtige Ziele für den Klimaschutzbeschlossen. Zumindest auf dem Papier wird erkannt, dass die Welt alles daran setzen muss, dass sich der Planet nicht um 2 Grad erhitzt. Wir alle stehen vor der Jahrhundertaufgabe, diese Ziele auch zu erreichen. Das hat der Lemgoer Rat erkannt und 2006 ein erstes Klimaschutzkonzept beschlossen.
Meine Damen und Herren, die Welt hat sich in Paris mühsam vereint. Weltweit haben sich auch Städte und Gemeinden im Klimabündnis vereint, um am gemeinsamen Ziel zu arbeiten.
Sie haben hier mit wenig überzeugenden Argumenten den Wieder-Beitritt zum Klimabündnisabgelehnt – just zu den Beratungen in Paris. Das ist peinlich, das ist knauserig und ein fatales politisches Zeichen.
Herr Bürgermeister, die Grüne Fraktion macht Ihnen hier und heute ein Angebot: Die Fraktionsmitglieder übernehmen den Jahresbeitrag für das Klimabündnis von 306 Euro. Und – wir legen auch noch 1,45 Euro für das Bewerbungsschreiben drauf. Ich hoffe, dass damit dem Beitritt fiskalisch und auch politisch nichts mehr im Wege steht!
Für die Zukunft bleibt viel zu tun. Herr Bürgermeister, ich freue mich, dass Sie vorhin den Klimaschutzpreis verliehen haben. An anderer Stelle standen Sie eher auf der Bremse. Sie haben im letzten Hauptauschuss sinngemäß gesagt, es gebe wichtigere Sachen als den Klimaschutz.
Von außen schaut man bewundernd auf Lemgo – wegen unserer umweltbewussten Stadtwerke, wegen unseres Stadtbusses mit seinem dichten Netz und Takt, wegen unserer Radwege, wegen der Effizienz-Projekte am CIIT, an der Hochschule, etc.
Und wir haben konkrete Planungen: Die energetische Wärmesanierung im Stadtkern läuft an, die erneuerbare Stromerzeugung geht mit der Windkraft weiter Richtung 100%, die Fernwärme wird ausgebaut….
Das Vorwort zum Haushaltsplan aber schweigt sich beharrlich über diese Lemgoer Vorreiterrolle im Klimaschutz und Energieeffizienz aus.
Herr Bürgermeister, ich lade Sie ein: Bekennen Sie sich endlich zum städtischen Ziel Klimaschutz! Zeigen Sie, dass Sie stolz sind auf die Leistungen unserer Stadt in diesem Bereich!
Wir Grünen werden auch 2016 für klare Impulse arbeiten. Wir werden eine Nachbesetzung der Stelle Klimaschutz beantragen. Ich bedaure sehr, dass wir auslaufende Stelle für Klimaschutzarbeit noch nicht verlängert haben. Ich hoffe, dass wir hier 2016 noch zu einer Lösung kommen.
Und wir Grüne werden uns engagiert an den Beratungen zum Klimakonzept Verkehr beteiligen. Ich lade Sie alle ein, gehen wir gemeinsam das Projekt Klimaschutz an!
Ein weiteres Großprojekt ist geschafft: Mich freut, dass wir unsere Radverkehrsplanungfortschreiben.
Politik und Verwaltung haben einen tragfähigen Kompromiss gefunden. Lemgo bleibt vorn im Umweltfreundlichen Verkehr. Wichtige Lückenschlüsse an den Radverkehrsachsen stehen in den kommenden Jahren an. Jetzt geht es an den nächsten Schritt: Umweltfreundliche Nahmobilität.
Dennoch: Bei konkreten Fragen haben einige hier im Rat eine regelrechte Fahrradparanoia. Wir Grüne sehen, dass die CDU den Lieferverkehr in der Mittelstraße fahren lassen will, den Radverkehr aber scheut. Und nicht einmal so eine Selbstverständlichkeit wie das Radeln im Abteigarten trauen Sie sich einfach mal zu akzeptieren. Erkennen Sie doch endlich an: Das Rad ist nicht nur ein Freizeitgerät, sondern ein wesentlicher Träger des modernen Verkehrs.
Überhaupt sieht es im Umweltschutz mau aus.
Beim Landesentwicklungsplan setzen CDU und SPD gemeinsam weiter auf Flächenverbrauch. Die entsprechende Erklärung wurde im Stadtentwicklungsausschuss durchgestimmt, ohne Möglichkeit zur Vorbereitung und Beratung. Das war ein ganz schlechter Stil.
Inhaltlich finden wir Grüne es gut, dass die Stadt Lemgo den Nationalpark und das Fracking-Verbot unterstützt, die im LEP stehen. Aber bei der Fläche wollen Sie weiter Boden verbrauchen, als ob es kein Morgen gäbe. Meine Damen und Herren, irgendwann muss es mal gut sein mit dem ständigen Zubetonieren. Unbegrenztes Wachstum geht eben nicht.
Meine Damen und Herren, trotz dieser rückwärtsgewandten Stimmung, die die Ratsmehrheit verbreitet, gibt es in diesem Jahr bei weiteren Langzeitprojekten wichtige Fortschritte:
-Wir beginnen endlich mit der Windkraft. Darüber werden wir ja gleich beschließen. Damit nähert sich Lemgo dem Ziel 100% Erneuerbare Energieerzeugung.
-Die Gewerbesteuer erhält ein vernünftiges Maß.
-Das Jugendforum konnte zusammen mit GfL und SPD durchgesetzt werden.
-Und wir haben beim neuen Sparpaket endlich die Schulsozialarbeit aufgestockt.
Apropos Schule:
Sie haben unseren Antrag auf eine neue Schulplanung abgelehnt. Vorerst, wie der Bürgermeister sagt.
Aber – wir stehen vor dringenden Aufgaben. Wie lange wollen Sie die betroffenen Schulen noch warten lassen? Die Kampschule platzt aus allen Nähten, das ist nicht seit gestern so.
Die Schulen betonen seit langem, wie wichtig eine gemeinsame Inklusionsplanung ist. Der Runde Tisch ist eine wichtige Maßnahme, ersetzt aber keine Planungen. Wir dürfen die Kitas und Schulen – und da nenne ich vor allem die Südschule als Schwerpunktschule – nicht mit den Aufgaben allein lassen. Und da ist auch der Kreis gefragt, seiner Verantwortung an allen Schulen in Lemgo nachzukommen.
Eine weitere Herausforderung für die Schulen ist die Integration. Damit bin ich beim letzten Punkt.
Auch das kommende Jahr steht im Zeichen der Einwanderung nach Lemgo. Flüchtende kommen und werden bleiben, und das wird unsere Stadt verändern und neue Chancen eröffnen.
Wir erleben es, dass sich Leute aus allen Ecken der Gesellschaft zusammentun, engagieren, dass sie Freundschaften mit den neuen Mitmenschen schließen und Güter spenden.
Wir erleben es aber auch, dass sich Einzelne in der Presse, Nachbarschaft, in Verbänden und Parteien negativ äußern und zuweilen auch das Gift des Hasses versprühen. Da müssen wir mit allen demokratischen Mitteln Position beziehen, dazu dürfen wir keinesfalls schweigen.
An dieser Stelle möchte ich dem Bürgermeister ausdrücklich meine Anerkennung aussprechen. Sie haben in der Flüchtlingsfrage Haltung gezeigt, anders als manche Scharfmacher in Bund, Land und Kommunen. Sie haben mit dafür gesorgt, dass wir in Lemgo immer noch unaufgeregt über die Dinge sprechen.
Ein weiterer Dank geht auch an die vielen Verantwortlichen in der Verwaltung, die sich intensiv mit der Aufnahme der neuen Lemgoer befassen und die Unterbringung dezentral organisieren. Sie leisten eine hervorragende Arbeit.
Ich danke den Hilfseinrichtungen, die engagiert und motiviert sich der Aufgabe und stellen und Strukturen schaffen.
Und an die vielen Ehrenamtlichen, die zeigen, dass es hier in Lemgo wirklich eine Ankommenskultur gibt, statt einer Unkultur des Wegschauens und Ablehnens.
Meine Damen und Herren, in diesem Jahr, in dem wir so oft von fallenden Mauern und Grenzen sprachen, wenn es um die deutsche und um die Lemgoer Geschichte ging:
Zeigen wir den zu uns Kommenden eine grenzen-lose Solidarität.
Ich komme zum Schluss:
Bei den aktuellen Haushaltsbeschlüssen vermissen wir positive Impulse für Umwelt, Klima und Bildung. Das darf nicht so bleiben.
Andererseits trägt der Haushalt klare grüne Akzente. Ich nenne die Stichworte Radverkehr, Schulsozialarbeit oder Finanzpolitik.
Deshalb sagt die Grüne Fraktion heute Ja zum Haushaltsplan.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit
und wünsche Ihnen und uns allen ein friedlicheres 2016.
Dr. Burkhard Pohl, Fraktionsvorsitzender