„Es geht um das Klima in der Gesellschaft“. Grüne rufen zu Einsatz für Demokratie, Bildung, Klimaschutz und Gerechtigkeit auf.

Das Klimaschutzkonzept wird fortgeschrieben, die Verwaltung soll Fahrzeuge mit alternativen Antrieben anschaffen – diese Grünen Anträge fließen in den Haushalt 2017 ein.

Unsere Vorschläge für bessere Öffnungszeiten der Stadtbücherei, für Ausbaumaßnahmen an Süd- und Kampschule sowie für eine konkrete Haushaltssteuerung wurden im Rat abgelehnt. In der Konsequenz hat die Grüne Fraktion daher dem Haushalt nicht zugestimmt.

In seiner Haushaltsrede rief Fraktionsvorsitzender Dr. Burkhard Pohl zur Verantwortung für den Erhalt der Demokratie in Deutschland auf. Diese werde von „falschen Patrioten und Predigern“ mehr denn je bedroht.

Dr. Burkhard Pohl

Dr. Burkhard Pohl (Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen)

Rede zum Haushalt 2017

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren,

was für ein dramatisches Jahr!

Damit meine ich die gesamtpolitische Wetterlage, die auch ihre Auswirkungen auf Lemgo hat.

Schaue ich auf das Jahr 2016 in Lemgo zurück, dann sehe ich einige wichtige Dinge, die Rat und Verwaltung mit grüner Beteiligung umgesetzt haben.

Die Unterbringung der Geflüchteten aus den Kriegsgebieten der Welt, wie Syrien und Afghanistan, verlief konstruktiv, und das ehrenamtliche Engagement ist hier immer noch hoch. Die Aufgaben für die Integration aber auch, und das sollten wir ebenso konstruktiv angehen. Die städtischen Einnahmen steigen, auch dank der Gewerbesteuer, die der Rat richtigerweise erhöht hat. Die OGS boomt, und es war richtig, den Deckel beim Offenen Ganztag anzuheben, denn das ist attraktiv für Familien. Eine wichtige Aufgabe ist jetzt die Qualitätssicherung – dazu später mehr. Der Rat hat auf Antrag von SPD, Grünen und GfL das Lemgoer Jugendforum auf den Weg gebracht und ich sehe, dass die Jugend sich engagiert, wenn man sie ernsthaft beteiligt. Und ich sehe die Festivitäten in unserer Stadt, die ihre Ausstrahlung haben. Da ist es vielleicht in Ordnung, dass der Rat den Zuschuss für Lemgo Marketing jetzt um 20% erhöht – auch wenn wir Grünen es zwiespältig sehen, dass an anderer Stelle Personal fehlt und Standards städtischer Leistungen gestrichen werden.

Lemgo hat ein neues Flaggschiff – den Bildungscampus OWL. Dort entsteht ein attraktives Zentrum für Schule, Ausbildung, Wissenschaft und Wirtschaft. Ein Silippon Valley sozusagen. Ich hoffe, dass auch unsere Stadt einen Innovationsschub von diesem Bildungsprojekt erhält. Wir freuen uns auch auf die Impulse, die der neue Präsident Prof. Krahl nach Innen und Außen der Hochschule setzen wird. Dass als erstes Leuchtturmprojekt Stadt und Kreis unbedingt ein Gratis-Parkhaus errichten wollen, spricht allerdings nicht für mehr Innovation in Lemgos Süden. Hier werden Chancen für eine andere Verkehrsentwicklung vertan – wir haben an der Hochschule die Zukunftsdenker für neue Mobilität und neue Energien. Nutzen wir deren Erkenntnisse für alternative Planungskonzepte! Hier braucht es verkehrspolitische und technische Innovation, wenn man den Campus wirklich zu einem Vorzeigemodell entwickeln will, und nicht zu einer weiteren Betonwüste. Sonst haben wir mehr Parkhaus als Innovation. Und bei der Gelegenheit wird der Rat hoffentlich doch noch den Schulhof des Lüttfelds für KfZ sperren, so wie es sich die Schule wünscht. Es ist mir völlig unverständlich, dass die Mehrheit im Verkehrsausschuss hier beschlossen hat, dass weiter Autos durch den Campus fahren sollen.

Ein weiterer Meilenstein ist der Ausbau der Erneuerbaren Energien. Den hat der Rat fast einstimmig beschlossen. Darüber können wir uns alle freuen. Die IHK Lippe wirbt für unsere Region mit einem schönen großen Windrad im Logo; als Zeichen für die ökonomische und ökologische Kraft der Erneuerbaren Energien. Und in Lemgo bauen wir nach über 20 Jahren Stillstand die Windkraft aus. Das ist ein großer Schritt für unsere Klimaziele, und ein wichtiger Baustein für die wirtschaftliche Zukunft unserer Stadtwerke – Doch die CDU klebt weiter trotzig ein Anti-Windkraft-Plakat ins Fenster – lieber Harald Pohlmann, das ist nun wirklich Retro-Politik. Damit würden Sie den Stadtwerken schaden.

Doch es gibt in Lemgo noch viel zu tun. Herr Tolkemitt, ich habe in Ihrer Haushaltseinbringung die Impulse für mehr Energieeffizienz und Klimaschutz vermisst. Ja, wir schreiben auf unseren Grünen Antrag hin das Klimaschutzkonzept fort, sogar ohne die Zustimmung des Bürgermeisters. Aber wir Grünen beklagen, dass weiterhin konkrete Einsparziele für den Klimaschutz fehlen. Darauf wollte sich der Rat noch nicht einlassen. Und ich wünsche mir, dass dann auch 2017 wieder der Klimaschutzpreis der Stadt Lemgo ausgelobt wird. Die Preisverleihung vor der letzten Ratssitzung vermisse ich heute. Es ist wichtig, dass 2017 das Projekt Wärmeversorgung im Stadtkern startet – hier entsteht ein Modellprojekt für Wirtschaft und Klimaschutz für ganz NRW.

Das große Thema neben der Wärme ist 2017 der Verkehr. Hier liegen Ideen auf dem Tisch: -Carsharing zusammen mit dem Kreis -E-Mobilität – hier haben wir Grünen mit unserem Antrag die Tür aufgestoßen zu mehr alternativer Mobilität bei der Stadt selbst. Leider wurde der Antrag vom Rat verwässert. -Radverkehr. Ich nenne als ein Projekt den Ausbau des Radweges B238 bis Lemgo, das muss jetzt endlich über die Bühne gehen!

Und selbstverständlich gehört dazu ein starker, attraktiver Stadtbus. Meine Damen und Herren, es ist bestürzend, wie einige im Rat gegen die Empfehlungen der Gutachter drakonische Kürzungen im ÖPNV fordern. Das ist unsozial, das ist unökologisch, und es ist wahrscheinlich nicht einmal wirtschaftlich, wenn uns erstmal die enttäuschten Kunden den Rücken kehren. Sorgen Sie besser mit dafür, dass der Stadtbus attraktiv bleibt und ein Erfolgsmodell.

In seiner Haushaltseinbringung hat der Beigeordnete ein Loblied auf die Lemgoer Projekte gesungen. Aber wir dürfen nicht verkennen, dass nicht alle Projekte ein Volltreffer waren: das drohende Desaster um den Bauhof ist noch allen präsent. Einem Unternehmen zuliebe hat sich die Stadt in ein finanzielles Abenteuer gestürzt, das zu einer „Bega-Philharmonie“ zu werden droht. Und wenn erst der neue Eigentümer das Asbest im Boden der Ostschulturnhalle entdeckt, dann frage ich mich schon, was dort vor Jahren schief gelaufen ist – als wir noch die Mittel hatten, die Halle verantwortungsvoll zu sanieren.

Zum Glück ist nach Jahren des Stillstandes für die öffentlichen Grundschulen wieder Geld da. Es wird höchste Zeit – denn Familie hat sich verändert, die Aufgaben für die Schulen wachsen. Und auch durch die Beschlüsse der Großen Koalition in Lemgo ist die Zahl der Privatschulen in attraktiver Lage gewachsen. Ein Drittel der Lemgoer Erstklässler besucht eine konfessionelle Privat- oder Ersatzschule, die sich ihre Schüler aussuchen kann und dies gerade im Hinblick auf die Religionszugehörigkeit auch tut. Deshalb wäre es wichtig, im Sinne einer solidarischen Gesellschaft jetzt endlich die vorhandenen Mittel für die Südschule und der Kampschule auszugeben, die der Rat über Jahre verweigert hat. Nicht für neue Klassenräume, sondern für vernünftige Möglichkeiten zum Essen, zur Differenzierung, für die OGS. Kinder sollen künftig wieder in einem Speiseraum essen und nicht auf ihrem Pult im Klassenraum oder im Computerraum! Es ist bedauerlich, dass Rat und Verwaltung hier auf die Bremse treten. Wir haben eine Qualitäts-Bringschuld gegenüber den Familien und den Schulen mit ihren Lehrkräften und Mitarbeitern. Deshalb fordern wir Grünen, dass diese Schulen im versprochenen Schulfinanzkonzept 2017 enthalten sind. Und – ja – es ist gut und richtig, dass das Land NRW der Stadt Lemgo mit großzügigen Finanzen unter die Arme greift, ohne Gegenleistung zu fordern.

Apropos: Auch bei der Schulsozialarbeit steht uns das Land NRW zur Seite und finanziert Stellen an den weiterführenden Schulen – weil der Bund hier seinen Aufgaben nicht nachkommt. Dafür können und sollten wir uns beim SPD-geführten Jugendministerium bedanken. Und ich freue mich auch, dass die Vertreter im Jugendhilfeausschuss erkannt haben, dass es mehr schulische Sozialhilfe braucht. Ich bin mir sicher, dass alle Fraktionen nach Prüfung der Lage im nächsten Jahr dann auch die nötigen zwei Stellen beschließen werden, wie es die Eltern und Schulleitungen gefordert haben. Sie alle wissen, dass eine Stelle eigentlich noch zu wenig ist.

Ein weiterer Punkt ist mir wichtig: Wenn wir über den Zusammenhalt der Gesellschaft sprechen, müssen wir auch an den sozialen Wohnungsbau ran. Seit 1,5 Jahren warten wir Grünen auf die versprochene Wohnraumstudie. Es gibt in der Innenstadt nicht nur Bedarf für Luxuswohnungen, sondern auch für preiswerten Wohnraum. Den müssen wir als Stadt ernst nehmen und fördern!

Bildung, Soziales, Umweltschutz – für alle diese Belange hatten wir Grünen Vorschläge vorgelegt. Sie haben diese Vorschläge nur bruchstückhaft angenommen. Und da ist es mir einfach zu billig, wenn der Kämmerer nur auf das Land oder auch mal auf den Bund schimpft. Die Stadt gibt viel Geld für große und kleine Projekte der Stadtverschönerung aus. Politik und Verwaltung setzen hier selbst die Prioritäten – das sehen wir an den sechsstelligen Summen, die für Projekte von CDU und SPD locker gemacht werden.

Falsche Prioritäten sehen wir z.B. beim Umgang mit der Stadtbücherei. Wir Grünen hatten hier bessere Öffnungszeiten gefordert, um sie für Jugendliche und Berufstätige noch attraktiver zu machen. CDU und SPD meinen, dass dies unnötig ist, obwohl es für wenig Geld zu haben wäre. Meine Damen und Herren, ja, auch Trinkwassersäulen haben ihren Sinn, und man mag es auch für nötig erachten, neben der Ordnungspartnerschaft eine zweite Ordnungspartnerschaft zur Sicherheit in Lemgo einzurichten. Diese Dinge haben Sie ja im Haushalt beschlossen. Aber dafür die Bildung zum Nullsummenspiel zu degradieren, wie Sie es bei der Stadtbücherei zeigen, das geht nicht! Nicht zuletzt die Trump-Wahl zeigt uns wieder, wie wichtig Bildung im postfaktischen Zeitalter ist. Wagen wir mehr Einsatz für die städtische Kultur und Bildung!

Wir Grünen hatten auch einen Vorschlag zur künftigen Steuerung des Haushalts gemacht. Wir wollten Spielraum im Haushalt schaffen – Jahr für Jahr fast 2 Mio. – da wollten wir optimistischere Haushaltsansätze wählen und der Politik Raum zum Gestalten geben. Wir sehen aber: Hier wollten uns Verwaltung und Rat nicht folgen. Obwohl viele von Ihnen sicherlich unseren Ansatz im Kern unterstützen. Schauen wir also, welches Ergebnis am Ende des Jahres 2017 steht und wie hoch die Abweichungen um Plan im kommenden Jahr sind.

Wir haben schwierige Zeiten – da brauchen wir entschlossenes Handeln für mehr Gerechtigkeit, Bildung, Klimaschutz. Sie haben unsere Ideen dazu nicht gewünscht und eine aktivere Haushaltssteuerung durch die Politik abgelehnt. Der Haushalt ist uns daher in den genannten Bereichen zu halbherzig.   Deshalb, meine Damen und Herren, wird die Grüne Partei diesem Haushalt nicht zustimmen.

Meine Damen und Herren,   für mich steht 2017 im Zeichen des Klimaschutzes. Ökologisch wie gesellschaftlich. Es geht mir dabei um das Klima in der Gesellschaft. Das ist sehr viel rauer geworden.   Wir haben die Landtags- und Bundestagswahl vor der Tür. Dabei geht es ganz konkret um den Fortbestand unserer Demokratie.

Tun wir bei allem politischen Streit das Richtige für unser Gemeinwesen: Widersprechen wir denen, die Menschen anderen Glaubens, anderer Herkunft, anderer sexueller Orientierung, verachten, hassen und öffentlich bedrohen. Dies passiert auch in Lippe. Ein Lemgoer Bürger wurde wegen Hasskommentaren gegen die Vizepräsidentin des Bundestages verurteilt. Und auf einem Zettel im grünen Bürobriefkasten stand: „Tod den Grünen – Verräter!“

Achten wir in unserem politischen Handeln aber auch darauf, dieser „Verdrossenheit“, die oft zu blankem Hass wird, keinen neuen Nährboden zu geben. Dazu zählt der Respekt vor den Anderen, gerade auch im Umgang mit den sozialen Medien. Und, meine Damen und Herren, ich würde mich freuen, wenn sich alle hier im Rat daran hielten.

Begegnen wir den falschen Patrioten und Predigern mit dem aktiven Bekenntnis zu unserer Vergangenheit, zu den Grund- und Menschenrechten unserer Verfassung, und zur lebendigen Vielfalt unserer lippischen Heimat.

Ich wünsche Ihnen einen friedlichen Jahreswechsel. Vielen Dank.

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