Die Bewältigung der Finanzkrise erfordert eine
sozial-ökologische Neubegründung der Marktwirtschaft. Mit dieser
Kernforderung zeigte Sven Giegold, Wirtschaftswissenschaftler,
Attac-Mitbegründer und grüner Europakandidat, „Wege aus der Finanzkrise“
auf. Unter diesem Titel hatte der Ortsverband der Lemgoer Grünen
Giegold und Sparkassenvorstand Bernd Dabrock am vergangenen Montag zur
Diskussion eingeladen.
Moderiert von der Lemgoer Bundestagsabgeordneten Ute
Koczy, schilderte im voll besetzten Foyer von St. Johann zunächst Bernd
Dabrock Ursachen der Finanzkrise. Er zeigte anschaulich, wie das
Spekulieren mit ungesicherten Hypothekenkrediten zur Verarmung von
Hausbesitzern und zum Kollaps der Großbanken geführt habe.
Hauptproblem für Giegold ist die weltweite
Liberalisierung und Deregulierung des Finanzsystems. Eine wichtige
Ursache sei die „Poker-Mentalität“ aller Akteure – vom Manager bis zum
mittleren Investmentbanker. Zudem habe ein schädlicher „Wettbewerb der
Finanzstandorte um die größte Deregulierung“ stattgefunden. Auch die
Politik könne sich nicht herausreden: „Wer heute behauptet, von nichts
gewusst zu haben, der lügt“, so der künftige Europa-Grüne. Beide
Referenten waren sich einig, dass zur Bekämpfung der Finanzkrise
lückenlose Kontrollen und neue Transparenzregeln nötig seien:
Steueroasen müssten geschlossen und die Ratingvergabe neu organisiert
werden. Das Publikum zeigte sich empört über die riskante Anlagepolitik
der Privatbanken, die ohne nennenswerte Eigenkapitalreserven agieren
durften. Demgegenüber stehen die Sparkassen auf solider
Eigenkapitalbasis, so dass die Finanzkrise hier geringere Auswüchse
zeige, so Dabrock.
Sven Giegold ging in seinen Forderungen weiter: Nur
mit einem völligen Umdenken könne man die enormen Risiken von
Staatsbankrotten und Deflation abwenden. Die Wirtschaftskrise sei nicht
von der Klimakrise zu trennen, die vor allem die Länder des Südens
bedrohe. Als Lösung stellte Giegold den „Grünen New Deal“ vor:
Einerseits müsse das Finanzsystem stabilisiert werden. Andererseits
müsste neu investiert werden – Konjunkturprogramme sollten aber in
Erneuerbare Energien, Bildung und Soziales fließen, anstatt alte
Industrien zu unterstützen. Ziel sei eine „ökologische industrielle
Revolution“.
Die zahlreichen Fragen aus dem Publikum zeigten,
dass die Debatte über eine neue soziale Marktwirtschaft auch in Lemgo
geführt wird. Was könne jeder Einzelne tun? Als Konsument sollte jeder
sein Geld nachhaltig, regional und ethisch anlegen und ausgeben; als
Bürger sollte man sich in Bewegungen und Parteien engagieren, die sich
für entsprechende Regulierungen im Wirtschaftssystem einsetzen, so
Giegold. „Es geht darum, eine Wirtschaft zu schaffen, die nicht auf
Kosten anderer funktioniert – weder auf Kosten des Südens und des
Weltklimas, noch auf Kosten der Armen hierzulande oder auf Kosten der
künftigen Generationen.“ Langfristig müsse eine Wirtschaftsform jenseits
der Wachstumsfrage gefunden werden.
„Wir freuen uns über das rege Interesse der Lemgoer
Bürgerinnen und Bürger. Dies zeigt, dass die Wirtschaftskrise die
Menschen in Lemgo und Lippe umtreibt und dass wir engagierte Konzepte
brauchen. Mit dem grünen „New Deal“ zeigt sich Licht am Ende des
Tunnels“, so Dr. Burkhard Pohl, Sprecher der Lemgoer Grünen.