Integration in Arbeit und Ausbildung: Konstruktive Gespräche im vollen Kastanienhaus

Plakat "Integration in Arbeit"
Fachleute aus Lemgo und Umgebung zum Thema Integration in Arbeit
Fachleute diskutierten mit dem Publikum die Integration in Arbeit.

Das Jugendzentrum im Kastanienhaus war rappelvoll: Über 70 Personen nahmen an der Diskussion zur Integration in Arbeit und Ausbildung in Lemgo teil. Eingeladen hatten neben den Parteien Bündnis90/Die Grünen, SPD, CDU und BfL auch die Flüchtlingshilfe Lemgo und die Initiative Ankommen in Lippe. Gekommen waren neben zahlreichen Ehrenamtlich Aktiven, Geflüchteten und Unternehmern auch Bürgermeister Dr. Austermann und weitere Führungskräfte der Verwaltung. Souverän moderiert von Dr. Katharina Kleine-Vennekate von der Evangelischen Studierendengemeinde, schilderten Experten von Behörden und Schulen zusammen mit Betrieben und Geflüchteten ihre Erfahrungen mit dem nicht immer einfachen Weg in Ausbildung und Arbeit.

So beklagte Friseurmeisterin Havana Cavumirza unzählige bürokratische Hürden bei der Anstellung von Asylbewerbern. Auch Saad Latif aus Syrien wusste von großen rechtlichen Schwierigkeiten bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz zu berichten. Dies konnte Armin Schauf vom Projekt NRW weltoffen anhand von 30 Fallstudien in Lippe bestätigen: Deutschland habe in Jahrzehnten der Einwanderung zu wenig für die Eingliederung in Arbeitsmarkt getan und habe seit 2015 stattdessen eine neue Bürokratie erfunden. Besonders vermisste er berufsbegleitende Sprachangebote; diese müssten allerdings passgenau auf den einzelnen Job orientiert sein, wie Integrationscoach Birgit Prophet vom Hansekolleg betonte. Wie Schauf forderte auch Sven Heitländer vom Jobcenter Lemgo mehr Aufmerksamkeit für die individuellen Biografien. Ein Stellenangebot allein reiche nicht, vielmehr müssten die Erfahrungen und Erwartungen beider Seiten zueinander gebracht werden.

Muhmmed Al Kandah, Abiturient an der Karla-Raveh-Gesamtschule, wies auf ein Problem fast aller ausländischen Schüler und Azubis hin: Nicht das Deutsche oder Mathematik an sich seien eine Hürde, sondern die Fachsprache in Textaufgaben. Dafür benötige es einen Nachteilsausgleich bei Kammern und Innungen, so Armin Schauf. Auch Birgit Prophet (Hansekolleg) und Michael Sauer (Lüttfeldkolleg) unterstrichen die Herausforderungen der Fachsprache. Leider entscheide der Aufenthaltsstatus über die Möglichkeit von Ausbildungshilfen. Dies sei ein Schlag in Gesicht der Ausbildungswilligen, so ein Kommentar aus dem Publikum.

Mehrere Wortmeldungen betrafen das Dorf Lüdenhausen, das allein rund 60 Flüchtlinge beherbergt. Für diese sei der Weg zu Schule und Ausbildung mehr als mühevoll und eine Teilnahme am Stadtleben kaum möglich. In diesem Zusammenhang kritisierten Diskutanten die Wohnsitzauflagen für Asylbewerber und beklagten, dass ein Umzug von Berufstätigen nach Lemgo abgelehnt worden sei. Eine weitere Kritik galt dem verzögerten Zahlungsmodus bei Arbeitsaufnahmen, wobei Sven Heitländer auf die Möglichkeit eines Vorschusses hinwies.

Einig war sich das Podium darin, dass eine Ausbildung der beste Weg in die Arbeit sei, zumal sie häufig einen vorerst sicheren Aufenthaltsstatus bedeute. Diese Erkenntnis müsste vielen Geflüchteten erst beigebracht werden. Arbeit sei insgesamt auch ein Zugang zu mehr Spracherwerb. In diesem Zusammenhang brach Sven Heitländer eine Lanze für die Leiharbeit, die seiner Meinung nach häufig einen Weg in reguläre Arbeitsverhältnisse ebne. Dagmar Begemann und Sven Heinze von der Flüchtlingshilfe stellten ihrerseits neue Angebote für die Sprachbegleitung von Geflüchteten vor.

Am Ende einer konstruktiven Debatte stand ein klares Fazit: Statt immer mehr Bürokratie und Einschränkungen für Geflüchtete müsste Deutschland die Bemühungen um Integration und Bildung stärker anerkennen, so der Tenor im Saal. Besondere Anerkennung zollten alle Anwesenden der guten Aufnahme und Unterstützung durch Familien und Ehrenamtler vor Ort. Auch die Lemgoer Behörden hätten durch pragmatisches Handeln bei der Integration oft geholfen.

Der Grüne Fraktionsvorsitzende Dr. Burkhard Pohl griff diese Anregung in seinem Schlusswort auf und forderte die Möglichkeit zum „Spurwechsel“. Zusammen mit Thorsten Sagner vom SPD-Stadtverbandsvorstand zeigte er sich zufrieden mit der Resonanz und dem Grundkonsens in der Lemgoer Politik und Verwaltung. Hier werde Politik für alle Betroffenen gemacht und von einer breiten Zustimmung in der Bevölkerung getragen.

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